Schüler: »Darf ich das Spiellevel eben noch zu Ende spielen?« Lehrer: »Ja, aber beeil dich, der Unterricht beginnt gleich!« Dieser kurze Dialog hat sich tatsächlich so an einer Schule in einem Klassenraum zugetragen. Läuft hier etwas schief? Unter Erwachsenen herrscht häufig große Uneinigkeit und Verunsicherung darüber, wie Kinder sinnvoll an digitale Medien herangeführt werden sollen: Wie viel davon darf und soll es sein? Wann, wo und wieso, weshalb, warum? Hinzu kommt, dass viele Erwachsene oft der rasanten technischen Entwicklung hinterherhinken und Kinder ihnen gegenüber einen Wissensvorsprung haben. Oder kennen Sie etwa die unter Kindern und Jugendlichen sehr beliebte App Tellonym und wissen Sie, was man damit machen kann? Wussten Sie, dass Musical.ly jetzt Tik Tok heißt? Und überhaupt: Warum üben digitale Medien solch eine Faszination auf Kinder und Jugendliche aus? Wie können Erwachsene Kindern dabei behilflich sein, mit den Medien sinnvoll umzugehen?
Handlungssicherheit durch Medienpädagogik
Derzeit führen die Pfefferwerker Carlos Goma und Anton Walcher ein medienpädagogisches Projekt an der Klecks–Grundschule in Berlin-Pankow durch. Ziel ist es, Kindern und Eltern mehr Orientierung und Handlungssicherheit zu geben und kompetente Ansprechpartner*innen in Sachen digitale Mediennutzung an der Schule zu sein. Der Bedarf, sich diesem Thema verstärkt zu widmen, entstand auf Wunsch von Eltern, aber auch aufgrund von Cybermobbing-Fällen und bedrohlichen Kettenbriefen, die in Klassenchats kursierten. Ein Klassenchat ist eigentlich dafür da, sich über Schulisches und Organisatorisches zu informieren und auszutauschen. Dauerbrenner in Klassenchats ist alles rund um die Hausaufgaben, Termine und Klassenarbeiten. Aber auch Fotos und Videos werden herumgeschickt. Schulisches und Privates vermischen sich dabei oft. Wer nicht Teil der Klassenchats ist, ist außen vor. Betroffen sind Schüler*innen, die kein Smartphone haben, soziale Netzwerke nicht nutzen dürfen oder wollen, und Schüler*innen, die von den Gruppeninitiatoren, sogenannten Admins, nicht eingeladen oder rausgeworfen werden. Unschön wird’s, wenn Klassenchats dafür genutzt werden, um Gemeinheiten über Mitschüler*innen zu verbreiten. Alle am Klassenchat Beteiligten lesen mit und fühlen sich vielleicht ermuntert mitzumachen. Gehen mehrere Beteiligte über einen längeren Zeitraum gegen eine Teilnehmerin oder einen Teilnehmer vor, spricht man von Cybermobbing.
Chance und Risiko
Digitale Medien in der Schule bergen viele Chancen für den Unterricht. Sie können Selbstständigkeit, Beteiligung und die Lust am Lernen fördern. Außerdem lässt sich der Unterricht damit abwechslungsreicher und spannender gestalten. Schulsozialarbeiter*innen sind fast täglich mit den Nachteilen digitaler Medien konfrontiert. In den sozialen Medien sind Dinge schnell mal geschrieben bzw. gepostet, die man sich so von Angesicht zu Angesicht nicht sagen würde. Aber auch missverstandene oder fehlinterpretierte Nachrichten führen häufig zu Problemen. Das Fatale: Kinder und Jugendliche, die einen unkontrollierten Zugang zum Internet haben – und das ist heute immer häufiger der Fall – können zu jeder Tag- und Nachtzeit miteinander kommunizieren.
Gemeinsam geht es besser
Auftakt des Projekts bilden zwei Elternabende für die Klassenstufen 3 bis 6. Neben wichtigen Informationen aus der digitalen Lebensrealität ihrer Kinder werden Eltern dafür sensibilisiert, sich mit dem Thema digitale Medien auseinanderzusetzten und ihren eigenen Medienkonsum zu reflektieren. Hierbei verfolgen wir den Ansatz, dass Erziehungsverantwortliche von Anfang an in einen guten und vertrauensvollen Kontakt zu ihrem Kind treten. Und das beginnt schon bei der Auswahl des ersten Smartphones und seinen Funktionen. »Die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Medium und das Aushandeln verbindlicher Regeln stehen im Vordergrund«, so Pfefferwerker Anton Walcher. Entscheidend ist auch, wie die Reaktion der Erwachsenen ausfällt, falls es dabei mal Probleme gibt. »Wenn Mama und Papa schimpfen, hole ich mir besser woanders Hilfe oder gar nicht.« Wenn Kinder erleben, dass Eltern sich auch in schwierigen Situationen als Partner anbieten, nicht gleich losschimpfen und gemeinsam nach Lösungen suchen, kommen sie auch beim nächsten Problem wieder zu ihnen. Und das gilt sowohl für die analoge als auch für die digitale Welt.
Information und Reflexion
Die Arbeit mit den Schüler*innen in den Klassen erfolgt dann im nächsten Schritt an mehreren Terminen. Hier diskutieren und reflektieren sie zusammen mit uns ihr Medienverhalten und bekommen altersentsprechende Tipps und Hinweise für deren Nutzung. Sie erfahren insbesondere, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, und dass Regeln auch hier beachtet und miteinander ausgehandelt werden müssen. Also zum Beispiel: Was gehört in den Klassenchat und was nicht? Wie verhalte ich mich bei Regelverstößen? Was gilt es bei bestimmten Anwendungen (Apps) zu beachten, etc.
Dankeschön!
Wir freuen uns, dass wir dieses Projekt an der Klecks Grundschule durchführen und für die Realisierung ausnahmslos alle Klassenlehrer*innen gewinnen konnten. Unser besonderer Dank gilt dem ehemaligen Schulleiter Herrn Förster, der sich nach den Sommerferien in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden wird. Frau Paulus, die im April die Schulleitung übernommen hat, empfindet es als eine gesellschaftliche Pflicht, sich mit den Themen Digitalisierung, dem Umgang mit Medien und Medienkompetenzen an der Schule auseinanderzusetzten und hat sogar im Rahmen der Schulentwicklung eine Mediengruppe ins Leben gerufen, die Pfefferwerk mitgestalten wird.
Schüler: »Darf ich das Level noch eben zu Ende spielen?«, Lehrer: »Du benötigst dein Handy jetzt nicht! Und: Zocken bitte zu Hause und in Maßen! Aber du kannst ja schon einmal das Smartboard anwerfen und ins Internet gehen, denn gleich beginnt die Live- Übertragung der Demo „Fridays for Future“, und das wollen wir uns doch bestimmt nicht entgehen lassen, oder?«
Carlos Goma | Schulsozialarbeiter | Kontakt: goma@pfefferwerk.de